I. Vor Raphael
Ich rufe dich! Vermagst du,
dich zu heben,
So folge mir! Was meine Blicke
künden:
Glanz, Demuth, Liebe – Alles wirst
du finden
Bei sinnigem und innigem
Bestreben.
Zwar kann ich keine ird’sche
Kunde geben,
Die kalten Forscher werden’s
nie ergründen;
Wer sich allmählig will an mir
entzünden,
Der lass’ im Schauen fromm
sein Herz erbeben.
Wenn du mich anflehst, will
ich gern dich segnen,
Mitleidig fühl ich, Mensch,
all’ deine Mängel:
Erkennen kann mich nie die
Erden-Rohheit.
Der Liebe aber will ich lieb
begegnen,
D’rum send’ ich dir
vertraulich sel’ge Engel,
Vermittler zwischen dir und
meiner Hoheit.
Ich kam herab, mich unter euch
zu stellen!
Aus ew’ger Mutterliebe zu euch
Armen
Umfang’ ich euch mit off’nen
Mutterarmen
Und will euch schön die
Erdennacht erhellen.
Eröffnet eurer Augen süße
Quellen,
Ihr Jungfrau kommt, die
Jungfrau fühlt Erbarmen,
An ihrem Herzen sollt ihr all’
erwarmen!
Ich kam zu euch! Kommt her aus
euren Zellen!
Sanft weiblich bin ich in dies
Bild getreten,
Der Meister hat den Pinsel nur
geführet,
Ich lehrte selbst den
Künstler, mich zu malen.
D’rum mögt ihr immer zu den
Bildern beten;
Mein ist die Milde, wenn sie
hier euch rühret,
Mein sind die Zauber, die euch
dort bestrahlen.
Nach
Darstellung des „Correggio.“
1822
Dein treu Gemüth im kindlich
frommen Streben,
Dein glühend Herz, erfüllt vom
Duft der Farben,
Dein zartes Lieben und dein
männlich Darben,
Dein mildes Antlitz und dein
häuslich Weben;
Dein still bescheiden
ahnungsvolles Leben,
Dein kühn Entsagen, wenn die
Freuden starben,
Dein heilig Hoffen auf den Tag
der Garben,
Dein Hoffen auf ein ewig
Künstlerleben: -
Es war kein Traum, wir haben
es empfunden,
Vor unsern Augen hat es sich
entfaltet,
Wir sahen dich bedrängt –
bedrängt - getötet
Von grünem Lorbeer bleibst du
stets umwunden,
Trägst in der Welt, wo rohe
Schwere waltet,
Dein liebes Haupt, vom Ruhme
leicht geröthet.
Wie heißt der Mann, der aus
vier armen Saiten
So mächt’ge Worte weiß
hervorzulocken,
Daß in Bewunderung die Puls’
uns stocken,
Wenn alle Herzen Opfer ihm
bereiten?
Daß uns geschieht, als ob aus
blauen Weiten
Die Töne niederschwebten, zart
wir Flocken,
Und kräftig dann, als ob mit
allen Glocken
Geläutet würde, für die Kunst
zu streiten?
Wie heißt er wohl, der
seelenvolle Meister,
Der mir erscheint, ein
Herrscher, im Gefilde
Der Musika, der heiligen,
erkoren?
Der Bundsgenosse schon
verklärter Geister,
Tonkünstler, feurig, fromm, stark, streng und milde? –
Lipinski ist’s, im Polenland
geboren